Mitte November steht die Sonne in der Schweiz tief. Sie scheint dadurch flach in die Natur und bildet eine ausgeprägten Schattenwirkung. Bei entsprechendem Kamerastandort kannst du aus den Bäumen grossartige Fotos gestalten. Die Canon EOS R5 mit dem Weitwinkelzoom RF 15–35 mm, f/2.8 ist am Riemen angehängt und mache mich in Wädenswil auf die Pirsch. Der Ort verfügt über viele Grünoasen und kleinen Parks, wo einige uralte Baumriesen stehen. Das Problem in der Stadt sind die engen Platzverhältnisse, überall um die Bäume herum stehen Häuser, Schilder, Kirchtürme oder anderes, die ich nicht unbedingt mit im Bild haben möchte. Voraussetzung ist die Sonne, die die gelben Blätter zum Leuchten bringt.
Nahe am Motiv brauche ich ein extremes Weitwinkel, dadurch wird der Baum verzerrt und von unten abgelichtet und die grossen Äste sind sichtbar. Wenn ich mich weiter vom Motiv entfernt befinde, kann ich etwa mehr heranzoomen, der Baum steht dann gerader und die Äste werden vom Laub verdeckt.
Starke Perspektive von unten. Je spärlicher das Laub, desto deutlicher kontrastieren die dunklen Äste..
Von weiter weg fotografiert kippt die Perspektive weniger stark und das vorhandene Laub verdeckt die Äste.
Wenn du Bäume findest, die in Hanglage stehen, hast du gute Voraussetzungen, die tiefstehende Sonne als Sonnenstern einzufangen. Bei flacher Topografie und einem Normalobjektiv kann es sein, dass die Sonne ausserhalb der Reichweite deines Objektives steht.
Einen Sonnenstern kannst du mit geschlossener Blende bilden. Blende einfach auf f/16 oder noch kleiner ab. Achte jedoch auf die Belichtungszeit, ich habe mit Blende 22, 1/200 Sekunde und ISO 200 gearbeitet.
Der automatische Weissabgleich der Kamera erzeugt mir eine unterkühlte Lichtstimmung (links). Deshalb ziehe ich in Lightroom den Schieberegler «Temperatur» etwas nach rechts. Die warmen Farben wirken golden und herbstlich.
Im November steht die Sonne tagsüber tief, sodass ich sie am unteren Bildrand positionieren kann. Unten ist die Sonne auffälliger und ungewöhnlicher als wenn sie oben im Bild scheint. Sie ist im Foto immer ein Akzent und kann auch mal eine extreme Position einnehmen.
Du hast einige Möglichkeiten, das Motiv zu positionieren, Hoch- oder Querformat einzusetzen. Oft ist es spannender, nicht den ganzen Baum abzulichten, sondern einen Ausschnitt zu wählen.
Ein solcher Ausschnitt hat starken Symbolcharakter. Hier ist der Rand ellipsenförmig abgedunkelt, d.h. mit einer Vignette versehen. Achte darauf, dass die Rinde des Baume nicht zu blau erscheint. Schattenpartien neigen dazu zu verblauen.
Diese diagonale Ausrichtung des Ginkos kann sowohl hoch- als auch querformatig betrachtet werden.
Das Weitwinkelobjektiv verzeichnet immer gegen aussen. Das heisst, aussen in den Ecken ist die Abbildung nur mit einem extremen Verzug möglich. Kreisformen werden zu Ellipsen und rechtwinklige Formen wie Fenster zu unregelmässigen Vierecken.
Der Objektivverzug ist bei geometrisch regelmässigen Figuren (wie Hausfassaden) deutlich sichtbar, während er bei unregelmässigen Formen, wie sie in der Natur bei Bäumen vorherrschen, weniger gut sichtbar.
Bei diesem Foto ist der Verzug im Astwerk deutlich sichtbar. Die kippende Perspektive unterstützt diesen Ausdruck.
Wenn du nahe am Motiv bist und mit einem Weitwinkel fotografierst, werden die Motive perspektivisch stürzen. Diese Sichtweise ist eher unnatürlich und ungewohnt. Vor allem konstruierte Gebäude entwickeln Fluchtpunktperspektiven, die als störend empfunden werden können. Im Lightroom oder Photoshop kannst du die stürzende Perspektive teilweise oder ganz begradigen.
Die Lichtführung ist ganz wesentlich, um Plastizität und Leuchtkraft herauszuarbeiten. Bei Sonnenschein wirkt das Foto lebendiger und kräftiger als bei bewölktem Himmel und seinem diffusen Streulicht. Je nach Absicht kann das eine oder andere vorteilhafter sein.
In Bildverarbeitungsprogrammen wie Lightroom, Photoshop, Luminar, Affinity Photo oder Capture One kannst du die stürzende Perspektive begradigen, wenn sie dich stört.
Hier die Situation, einmal im Gegenlicht, einmal mit seitlich einfallendem Licht. Beide Fotos haben einen Lichtteil und einen Schattenteil. Der Sonnenschein machts möglich. Sonne bedeutet mehr Kontrast im Bild – es wirkt lebendiger.
Hier ist die Kameraposition ganz unten und nahe beim Stamm der Kastanie, die sich unten in der Unschärfe zeigt. Blende f/7.1, 1/125 Sekunde, ISO 800. Das dreh und kippbare Display an der Kamera ermöglicht die volle Bildkontrolle vor der Aufnahme.
Hier wird das Astwerk des Baumriesen deutlich. Im Sommer, wenn der Baum sein ganzes Blätterkleid trägt, sind die Äste nicht sichtbar.
Hier liegt der Fokus für einmal nicht auf der Krone, sondern auf den Wurzeln und dem Stamm. Die farbigen Blendenreflexe entstehen bei bestimmten Positionen, wenn du direkt in die Sonne fotografierst. Bei geringen Änderungen deines Standortes oder durch Kippen der Kamera, kannst du sie vermeiden oder ändern.
In Parks finden sich Spielgeräte, die sich gut mit ins Bild einbinden lassen. Die perspektivische Wirkung ist hier gewollt, sie zieht den Blick ins Foto hinein.
Die mehr oder weniger kahlen Novemberäste haben einen eigenen Reiz. Hier auf dem Friedhof Manegg, Zürich-Wollishofen.
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