Oberflächen bestehen immer aus einer bestimmten Struktur. Sommersprossen und Regentropfen auf dem Tisch und haben eines gemeinsam: Sie sind ungegelmässig, bilden aber dank visueller Merkmale eine Struktur.
Wenn eine Oberfläche ein Muster aufweist, dann sehen wir darin eine Struktur. Muster sind repetitive Formen, die gemeinsame visuelle Merkmale aufweisen. Bei den Regentropfen ist es die Plastizität und die glänzende Oberfläche, bei den Sommersprossen die dunkle Pigmentierung. Die meisten Muster der Natur sind wohl unregelmässig: Sanddünen, Schneeverwehungen, Wellenbewegungen, Schäfchenwolken, Tannenwald. Muster sind besonders auffällig, wenn sie regelmässig wirken oder in einer Kombination von regelmässig/unregelmässig vorkommen. Grafisch betrachtet unterscheiden wir drei geometrische Elemente, die als Muster vorkommen können: Punkt, Linie und Fläche. Diese Elemente können regelmässig aneinandergereiht werden, aber auch in anderen Variationen vorkommen.
Die Perspektive erzeugt eine Verjüngung nach hinten oder nach oben, was abnehmende Abstände bewirkt. Fotografisch ist auch die Schärfe interessant, die zum Beispiel in der Makrofotografie als Unschärfekreise ebenfalls regelmässige Muster erzeugt.
In der Natur finden sich unregelmässige Muster zuhauf. Du musst nur die Augen dafür öffnen und den Suchfilter «Muster» in deinem Kopf aktivieren.
Strukturen finden sich in der Natur als auch in der Architektur in vielfäliger Weise.
Links: Eingangshalle zu einem Restaurant an der Biennale Venedig. Rechts: Schattenwurf im Milano Congress Center.
Menschen lassen sich bestens in vorgegebene Strukturen integrieren.
Stromleitung auf dem Nufenenpass bei Ulrichen. Die Linien führen geschwungen ins Bild hinein. Sie bilden eine Struktur.
Brücke in der Areuse-Schlucht. Das Hell-Dunkel von Lamellenkonstruktion und Schatten erzeugt einen regelmässigen Rhythmus.
Perspektivische Wirkung von geschichtetem Fels. Flysch-Kliffs in Zumaia, Spanien. Die senkrecht stehenden Gesteinsschichten bilden eine spektakuläre Linienstruktur.
Die seitlich schneebedeckten Stämme zeigen ein senkrechtes Schwarz-Weiss-Muster. Albishorn, Hausen am Albis.
Von links: Tomar, Portugal; Mosteiro da Batalha, Portugal; Palazzo Lombardia, Mailand. Muster finden sich überall in der Architektur.
In alten Städtchen laden enge Gässchen zum Flanieren. Die Häuschen stehen dicht an dicht und jedes Gebäude unterscheidet sich etwas vom anderen. Das ganze Ensemble jedoch ist ein riesiges Muster der anziehenden Art. Die Baustile von Gothik, Renaissance, Barock, Klassizismus und Jugendstil brachten jeweils andere Muster oder Ornamente hervor.
Lüneburg. Häuserfassaden in Fachwerkmanier bilden einen unregelmässigen Rhythmus.
Lübeck: In der Flucht betrachtet, bilden die Fassadenteile mit ihren Fenstern senkrechte Muster aus.
Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand. Hier begegnen sich senkrecht, waagrecht und rund.
Manuelinischer Baustil in der Kathedrale de Batalha, Portugal. Die verschnörkelten Muster der Manuelinik gehen auf König Manuel I. im 16. Jahrhundert zurück. Sie sind weltweit einmalig.
Bei tief stehender Sonne bildet sich das Treppengeländer an der Hausfassade ab. Das Foto erhält eine doppelte Plastizität.
Auch die moderne Architektur hat es mir bezüglich Mustern angetan. Mein Auge wird davon magisch angezogen. Es ist die lamellenartige Architektur, die meist vertikal in die Höhe schiesst und die von hohen Kontrasten lebt. Die Lamellen werden waagrecht durchzogen von den Etagen, die sich perspektivisch nach hinten verjüngen. Solche Fassaden sind besonders in Schwarz-Weiss attraktiv, da die Form betont wird und keine Farben davon ablenken. Strukturen treten auch als Schatten auf. Bei entsprechendem Blickwinkel kannst du perspektivische Wirkungen gestalten.
Der grosse Meister der Strukturen ist der Architekt Mario Botta. Seine typische strukturierte Bauweise ist weltbekannt. Im Bild die Kapelle von Mogno, Tessin.
Das Parkhaus Sihlcity, Zürich, von unten nach oben gesehen. In den Rundungen befinden sich die Auffahrt und die Abfahrt zu den Parkebenen. Die Ansicht täuscht: Was als Boden wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit eine senkrecht nach oben verlaufende Wand.
The Circle, Zürich-Flughafen. Neonlichter bilden eine perspektivische Wirkung.
Kunsthaus Zürich. Durch die senkrechten Betonlamellen fliesst das Licht des Nachmittags in die Eingangshalle – es strukturiert auf natürliche Weise die Fliesen.
Technopark Luzern D4, Root. Die vertikalen Lamellen bilden einen sich nach hinten verjüngenden Rhythmus. Das nasse Boden spiegelt das Muster.
Haus in Nazaré, Portugal. Die blau-weiss gestreifte Fassade entwickelt einen starken Bildreiz.
Ein hölzerner Fussgängersteg führt bei Algund im Südtirol über die Etsch. Sie wird nachts von Laternen erhellt, die Lichtstrahlen dringen durch die Bohlen auf den Grund und bilden ein Linienmuster auf den Felsblöcken ab.
Überschwemmte Gartenwirtschaft während eines Hochwassers in Küssnacht am Rigi. Die Lamellen der Stühle lenken den Blick nach hinten. Das Foto habe ich aus einer flachen Perspektive mit einem Neutraldichtefilter und einer langen Belichtungszeit aufgenommen.
Selfie vor dem Museo delle Culture in Mailand. Die Glasfassade besteht aus einem halbtransparenten Streifenmuster, das die gegenüberliegende Fassade spiegelt. Die Kamera steht auf dem Stativ, ich fotografiere mit dem Selbstauslöser.
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